Vorwort zur 1. Auflage (1930)
Die ergänzende Fortsetzung von Siegmund Wilhelm Wohlbrücks „Geschichtlichen Nachrichten von dem Geschlechte von Alvensleben und dessen Gütern“, deren grundlegender Band in Berlin 1819 erschien, wurde schon lange innerhalb der Familie angestrebt. Die Initiative des Seniors Grafen Albrecht v. Alvensleben-Schönborn brachte dann die Durchführung auf die rechte Bahn. Dank der weitreichenden Materialsammlungen des derzeitigen Seniors, Oberstleutnant a. D. Hans v. Alvensleben aus dem Hause Rogätz in Ballenstedt, stellte Herr Seminardirektor Dr. Schreiner in Neuhaldensleben die Berichte der einzelnen Linien zusammen und zog dabei auch die hauptsächlichen einschlägigen Druckveröffentlichungen in den Kreis der Betrachtung. Neben dem Codex diplomaticus Alvenslebianus v. Mülverstedts waren dies noch die Stammtafeln, die Udo Gebhard Ferdinand v. Alvensleben-Erxleben 1865 hatte erscheinen lassen, und die „Übersicht der Geschichte und Genealogie des Geschlechtes v. Alvensleben“ von Udo v. Alvensleben auf Schollene aus dem Hause Calbe a. d. M. (Genthin 1892).
Die Aufgabe des abschließenden Bearbeiters bestand vornehmlich in der Vereinheitlichung der sehr verschieden gestalteten Einzelbeiträge, in ihrer Überarbeitung im Sinne eines möglichst knappen Herausstellens der für die Gesamtfamilie wesentlichen Momente und in der Überprüfung der allgemeingeschichtlichen Bezüge des Textes. Er durfte sich dabei der fördernden Beratung durch die Herren Direktor Dr. med. Alkmar 3. v. Alvensleben aus dem Hause Calbe a. d. M. in Magdeburg, Dr. phil. Udo 16. v.Alvensleben auf Wittenmoor aus dem Hause Erxleben II, Generaldirektor Udo 9. v.Alvensleben aus dem Hause Neugattersleben zu Dresden und Joachim 11. v. Alvensleben auf Sülldorf erfreuen. Noch wenige Tage vor dem Ableben des Grafen Albrecht 12. v. Alvensleben-Schönborn konnte dieser in einer Besprechung im Januar 1928 die Gesichtspunkte der Bearbeitung billigen.
Die aus dem Geiste des Rationalismus erwachsene klare und übersichtliche Darstellung Wohlbrücks vermag auch nach einem Jahrhundert umfassendster Weiterentwicklung der historischen Methode einer verständigen Kritik durchaus standzuhalten. Seine Übersicht der älteren Alvenslebenschen familiengeschichtlichen Literatur, die er in dem breit angelegten Vorbericht seines ersten Bandes gibt, ist auch heute noch lesenswert und wertvoll. Gewiß sind seine Angaben in vielen Einzelheiten heute zu ergänzen, aber gerade wenn es in absehbarer Zeit zu der wünschenswerten neubearbeiteten Wiedergabe des Werkes kommen sollte, wird sich zeigen, daß es in seinen Grundlinien wie in seiner ganzen Art, die familiengeschichtlichen Zusammenhänge zu sehen, durchaus brauchbar ist. Immerhin ist bei Fortsetzung seiner Arbeit von der Gliederung in Generationen, die die zeitlichen Parallelen so oft verschob, abgegangen worden. Nacheinander werden die mit römischen Ziffern bezeichneten Linien behandelt, deren einzelne Individuen mit arabischen Zahlen, denen die Linienziffer stets vorgesetzt ist, aufgeführt werden. Damit dürfte eine größere Gleichmäßigkeit gegenüber Wohlbrücks Methode erreicht sein. Den allgemeine historisch interessierten Leser, der gern mehr Rücksicht auf die für die Geschichte von Land und Staat bedeutsam gewordenen Männer genommen sehen möchte, kann die Familie auf die in Aussicht genommene Reihe von Biographien verweisen, von denen sich zwei bereits in der Bearbeitung durch namhafte Gelehrte befinden.
Die vorliegende Arbeit hat ihren Zweck erfüllt, wenn es ihr gelungen ist, das genealogische Daten- und Tatsachenmaterial eines Jahrhunderts verläßlich und übersichtlich zusammenzustellen und dabei Hinweise auf persönliche Leistungen, individuelle Charaktere, geschichtlich bedeutende Beziehungen zu bieten; ausführliche Darlegungen und Ausarbeitungen, z.B. Erinnerungen an Kriegserlebnisse, mußten hier wegbleiben. Vielleicht – und das wäre durchaus wünschenswert – bieten die schlichten Daten und Tatsachen eine geeignete Grundlage für monographische Abhandlungen verschiedenster Art. Neben Biographien wird dabei auch an Untersuchungen der wissenschaftlichen, d. h. vergleichenden Genealogie auf biologischem und soziologischem Gebiete gedacht, an gleichfalls vergleichende Betrachtungen der wirtschaftlichen und sozialen Wandlungen, an Berufstätigkeit und Wanderung, an die erkennbaren Spuren der sich ablösenden geistigen Strömungen der Zeit.
Einer besonderen kunstgeschichtlichen Veröffentlichung wird die Inventarisierung aller Baudenkmäler, Grabmäler und Sammlungen, insbesondere auch aller Bildnisse, die zur Familie in Beziehung stehen, vorbehalten bleiben.Es wird für den Zweck der nachfolgenden Übersichten genügen, wenn in wenigen Worten die hauptsächlichen Ausgangs- und Verknüpfungspunkte der Alvenslebenschen Familiengeschichte zusammengefaßt werden; handelt es sich hier doch nur um eine knappe Anleitung zum Verständnis der nebeneinander im 19. Jahrhundert blühenden Linien, Äste und Zweige der Familie.
Alvensleben, früh schon in Dorf, Markt und Gutsbezirk geschieden und heute im Kreise Neuhaldensleben gelegen, wird zuerst 964 in einer Schenkungsurkunde des Marktgrafen Gero an das Kloster Gernrode erwähnt, zu dessen Besitz jener damals zwei Hufen Landes in Alvensleben fügt. In einer Halberstädter Bischofsurkunde vom 2. Februar 1163 erscheint dann ein gewisser Wichard als Zeuge, der – in einer Urkunde vom 12. September 1185 als Wichard von Alvensleben wiederkehrend – sich als der erste individuell faßbare Träger des Namens dartut. Er veräußert 1187 Grundbesitz in Drübeck, und das Gebiet des Bistums Halberstadt ist es dann überhaupt, in dessen Grenzen die Alvensleben in wachsender Häufigkeit begegnen. Es ist schwer, die Namensträger im Hochmittelalter näher biographisch und soziologisch zu bestimmen, Alter und Bedeutung der Familie genauer zu erforschen. Unklar bleiben die Beziehungen der Familie zu dem Orte, der ihnen den Namen gibt. Erst 1311 werden Herren von Alvensleben in dem vordem in vielfach wechselnden Rechts-, Hoheits- und Grundbesitzbeziehungen stehenden, aber vom Bistum Halberstadt zäh festgehaltenen Orte Alvensleben mit Hufen belehnt, ohne daß dadurch hier ein Kernpunkt des Familienbesitzes entstanden wäre.
Der Aufstieg der Familie aus der Ministerialität in die Ritterbürtigkeit hat sich, wie bei vielen anderen Familien auch, im 13. Jahrhundert im Zuge allgemeiner sozialer und wirtschaftlicher Umschichtung vollzogen. Erxleben (seit 1282) insbesondere, aber auch Kalvörde, Klötze und Calbe a. d. M. sind jene ersten Besitzungen, an die wirtschaftliche Entwicklung, Linienbildung und Ausbildung gesonderter Traditionen anknüpfen.Der Codex diplomaticus Alvenslebianus II, S. 569 zählt im Zeitraum von 1412 – 1500, der Periode weitester Ausbreitung des Familienbesitzes, in der Altmark-Brandenburg 135, im Erzstift Magdeburg 160, in den Braunschweigischen Herzogtümern 21, in der Grafschaft Barby zwei Ortschaften, in denen die Alvensleben begütert waren.
Der hohe Orden vom Schwarzen Adler ist folgenden Mitgliedern der Familie verliehen worden:
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dem Minister Graf Philipp Carl 1798,
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dem Minister Graf Albrecht 1840,
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dem General der Kavallerie Gustav 1891,
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dem General der Infanterie Constantin 1892,
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dem Botschafter Graf Friedrich Johann.
In den Grafenstand wurden erhoben:
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Johann August Ernst (1758 – 1827) auf Erxleben II usw. Berlin, 6. 7. 1798. Der Titel, der auf sämtliche Nachkommen überging, erlosch mit dem Tode des Grafen Albrecht 1858.
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Philipp Carl, (1745 – 1802) auf Hundisburg. Berlin, 4. 1. 1800. Der Titel erlosch mit seinem Tode 1802.
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Friedrich Wilhelm August (1798 – 1853) Berlin, 15.10.1840. Der Titel war geknüpft an den ungeteilten Besitz von Isenschnibbe (Gardelegen) und Weteritz und ist durch den Verkauf dieser Güter erloschen.
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Ludolf Friedrich Ferdinand (1803 – 89) auf Erxleben I und Eimersleben. Berlin, 15.10.1840. Der Titel ist geknüpft an die Erstgeburt und den Besitz von Erxleben I.
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Albrecht (1848 – 1928) auf Erxleben II usw. Charlottenburg, 16. 4.1888, Der Titel ist unter Vereinigung von Wappen und Namen mit denen seiner Gemahlin Martha v. Schönborn geknüpft an den Besitz des von Schönbornschen Fideikommisses Ostrometzko.
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Werner Alvo (1840 – 1929) auf Neugattersleben. Berlin 1902.
Durch landesherrliche Urkunde vom 22.12.1856 wurde der Familie v. Alvensleben das Recht verliehen, eines ihrer Mitglieder zur Berufung in das Herrenhaus des Landtages der Preußischen Monarchie zu präsentieren. (S. Handbuch für den Geschlechtsverband v. Alvensleben S. 9 und S. 97).
Die Familie hat seit dem 12. 3. 1860 Familientage eingeführt und alljährlich abgehalten, eine Fortsetzung der einstigen Geschlechtstage, deren erster am 15. 5. 1479 zu Calbe a. d. M. stattfand.
Die anschließende Übersichtstafel soll die Ableitung und Zusammengehörigkeit der im 19. Jahrhundert vorhandenen Zweige der Familie wenigstens in groben Umrissen dartun. Kritischere Untersuchungen zur Stammtafel der Alvensleben sind in die Neuauflage des Wohlbrückschen Werkes zu verweisen. Mit den dort am Ende der einzelnen Zweige genannten Namensträgern setzt die folgende Übersicht ein; sie bringt die Lebensdaten von über 450 Angehörigen des Alvenslebenschen Geschlechts.
Dr. Hellmut Kretzschmar
Es folgt das Vorwort zur 2. Auflage (2004)