Gustav Constantin (Gustin)
genannt Alvo v. Alvensleben

1879-1965 | Unternehmer in Vancouver/Kanada und Seattle/USA

Er wurde am 25.7.1879 als dritter Sohn von Werner v. Alvensleben, später Graf v. Alvensleben-Neugattersleben (1840-1928) und der Anna v. Veltheim (1853-1897) in Neugattersleben geboren und hatte noch zwei Schwestern und vier Brüder, darunter den Kaufmann und Politiker Werner v. Alvensleben (1875-1947) und den späteren Präsidenten des Deutschen Herrenklubs Bodo Graf von Alvensleben-Neugattersleben (1882-1961). Am 2. April 1908 heiratete er in Vancouver die Lehrerin Edith Westcott (1878-1964). Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor: Margret (1909-2005), Gero (1910-) und Bodo (1913-1988).

Nach dem Besuch der Kadettenanstalt schlug er zunächst eine Militärlaufbahn ein, nahm aber als Leutnant seinen Abschied und wanderte nach Amerika aus – weil, wie es heißt, sein Vater ihm die Wettschulden nicht mehr bezahlen wollte. Nach einem kurzen Aufenthalt in El Salvador, wo er auf der Kaffeefarm seines älteren Bruders Joachim arbeitete, kam er im Sommer 1904 schließlich nach Vancouver (British Columbia) – mit einem Barvermögen von vier Dollar. Zunächst schlug er sich als Farmarbeiter, Nachtwächter, Fischer, Jäger und Verkäufer von Geflügel durch das Leben, konnte sich dann ein Boot kaufen und nach einer erfolgreichen Lachsfangsaison auf dem Fraser River 1500 Dollar ansparen. Dieses Geld setzte er ein, um 1907 eine Immobilien- und Finanzierungsfirma, die „Alvensleben Finance and General Investment Company“ zu gründen. Er schaltete auf Kredit große zweiseitige Anzeigen in der Zeitung Vancouver Sun, die ihn sehr schnell bekannt machten. Auch wurde er an der 1907 gegründeten Vancouver Stock Exchange aktiv, wo er an manchen Tagen über die Hälfte des Tagesumsatzes gemacht haben soll. Vancouver erlebte zu dieser Zeit einen Immobilienboom und einen starken wirtschaftlichen Aufschwung.

 Alvensleben gelang es in den Folgejahren, sehr viel deutsches und europäisches Kapital für Investitionen in British Columbia zu mobilisieren, und hat damit erheblich zu diesem Aufschwung beigetragen. Hierbei arbeitete er zeitweise mit seinem Bruder Werner zusammen, der ebenfalls nach Vancouver ausgewandert war. Um 1912 waren in seiner Firma 50 Mitarbeiter direkt beschäftigt und er hatte Beteiligungen in zahlreichen Firmen, darunter Standard Fish and Fertilizer, Standard Fisheries and Whaling, Vancouver Timber and Trading, Queen Charlotte Island Fisheries, Indian River Park (Wigwam Inn), German-Canadian Trust Company, Vancouver-Nanaimo Coal Mining und Issaquah & Superior Coal Mining Company.

Letztere lag in King County im Staat Washington/USA. Alvensleben trat dort als Sanierer auf, nachdem das Bergwerk durch jahrelange Arbeitskämpfe in Konkurs geraten war. Das Bergwerk wurde modernisiert und über 500 Arbeitskräfte eingestellt. Die zeitgenössischen Chronisten berichten, dass Alvensleben den Arbeitsfrieden mit „almost socialistic ideas“ wiederherstellte, indem er für faire Löhne, menschliche Arbeitsbedingungen und gute Wohnmöglichkeiten sorgte und mit den Gewerkschaften zusammenarbeitete. Die Sanierung des Bergwerks löste einen Bauboom aus: Im Jahre 1913 sollen in Issaquah mehr Wohn- und Geschäftshäuser gebaut worden sein als in den zwei Jahrzehnten zuvor.

Alvensleben verkörperte in dieser Zeit den American Dream: Er hatte sich durch Tatkraft, unternehmerischen Weitblick und Risikobereitschaft innerhalb von wenigen Jahren vom einfachen Tagelöhner zu einem vielseitigen Unternehmer hochgearbeitet. Schon zu seinen Lebzeiten galt er als Legende und wird heute als eine der großen Gestalten aus der Pionierzeit British Columbia’s angesehen.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs führte jedoch zu einem abrupten Ende seines wirtschaftlichen Imperiums. Von einer Reise in die USA konnte er nicht mehr zurückkehren, da ihm in Kanada die Verhaftung drohte. Sein Vermögen wurde als Feindvermögen konfisziert.  Er ließ sich dann in Seattle/USA nieder. Als die USA 1917 in den Krieg eintraten, kam er als mutmaßlicher „Spion“ in das Internierungslager Fort Douglas im Staat Utah, aus dem man ihn erst 1920 wieder entließ. Er arbeitete danach im Immobiliengeschäft und als Börsenmakler, ohne aber an seine früheren wirtschaftlichen Erfolge wieder anknüpfen zu können. 1939 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Er starb am 22.10.1965 in Seattle.

Literatur:

  • F. Penberthy: Alvo von Alvensleben. A Personal Sketch. In: British Columbia Magazine (1911), S. 1303-1312.
  • Clarence B. Bagley: History of King County, Washington. Chicago -Seattle 1929, Chapter 42 on Issaquah.
  • T.D. Regehr (ed): The Possibilities of Canada are Truly Great. Memoirs 1906-1924 by Martin Nordegg. Toronto 1971.
  • D.G. Paterson: European Financial Capital and British Columbia: An Essay on the role of the Regional Entrepreneur, in B.C. Studies 21 (1974) S. 33-47.
  • Ingrid E. Laue: Gustav Konstantin Alvo von Alvensleben (1879-1965): The Pioneering Prussian in British Columbia. German-Canadian Historical Association, Inc. and Historical Society of Mecklenburg Upper Canada, Inc., Vancouver 1977.
  • David Cruise, Allison Griffiths: Fleecing the Lamb: The Inside Story of the Vancouver Stock Exchange. Douglas&Mcintrye Ltd 1987, Chapter 2: Alvo von Alvensleben, the First Promoter, S. 17-30.
  • Joerg A. Nagler: Enemy Aliens and Internment in World War I: Alvo von Alvensleben, Fort Douglas, Utah, A Case Study. Utah Historical Quarterly 58 (Fall 1990), S. 388-405.
  • Privatarchiv der Familie v. Alvensleben e.V.