Letzlingen
Schloss Letzlingen um 1700 – Zeichnung von Anco Wigboldus
Den Letzlinger Forst, den heute noch größten Waldkomplex Norddeutschlands, bezeichnete man einstmals als „Wendenheide“, denn im Schutz der Wälder hielt sich das Slawentum westlich der Elbe nach der germanischen Wiederbesiedlung noch über Jahrhunderte. Grenzkämpfe und Fehden vernichteten viele Heidedörfer im Lauf des späteren Mittelalters, woran heute noch Kirchenruinen, Brunnen und Gräberfelder erinnern. Das Dorf Letzlingen selbst lag ab 1400 wüst und wurde erst 1701 wieder mit Kolonisten besetzt. Von der Letzlinger Heide und den angrenzenden Forsten, die von der Elbe bei Rogätz bis ins Lüneburgische bei Klötze und ins Braunschweigische bei Helmstedt reichten, trugen die Alvensleben bis 1555 den größeren Teil zu Lehen. Letzlingen, den Hauptort des Waldlandes, und dessen Umgebung übertrugen die Erzbischöfe von Magdeburg 1404-1555 dem Hause Calvörde. Außerdem standen den Schlössern Gardelegen, Kalbe, Erxleben, Rogätz, Hundisburg und dem Amt Alvensleben umfangreiche Bezirke zu. Lehnsträger der übrigen Reviere waren einige Städte, Klöster und Rittergeschlechter, darunter in erster Linie die Bismarck, Schulenburg und Lüderitz. Um die Jagdrechte gab es mit den beiden Landesherren, den Erzbischöfen und den Hohenzollern, ständig Streit. 1528 errichteten die Alvensleben-Calvörde zu Letzlingen einen befestigten Jagdsitz, der nach Aussterben dieser Linie 1553 an das Haus Kalbe fiel. Die Gelegenheit der notwendig werdenden Neubelehnung benutzte Kurprinz Johann Georg von Brandenburg, 1555 den Verkauf der den Häusern Calvörde und Gardelegen gehörenden Anteile an Letzlingen und dem Waldlande zu erzwingen. 1562 kam der Bismarcksche Hauptbesitz Burgstall durch Zwangstausch hinzu.
So entstand das Hofjagdrevier der brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige, das 1555-1918 denkwürdige Tage erlebte. 1559-1563 ließ der spätere Kurfürst Johann Georg den Alvenslebenschen Wohnsitz in Letzlingen durch Kaspar Theyss, Architekt des Berliner Schlosses, und den ausführenden Maurermeister Bundschuh neu gestalten.
Da keine älteren Abbildungen der kurfürstlichen ,,Hirschburg zu Letzlingen“ vorhanden sind, stellt die vorliegende Rekonstruktion, Resultat aller damaligen Forschungsergebnisse, die einzige Wiedergabe dieses wichtigen Bauwerks dar, das in den hohenzollerischen Jagdschlössern Grunewald und Königswusterhausen ähnliche Gegenstücke besaß. Moritzburg und Augustusburg in Kursachsen dienten als Vorbilder. Dem Renaissance-Ideal entsprechend war das mittlere Hauptgebäude wie die Burg als Ganzes auf quadratischem Grundriss angelegt und allseitig symmetrisch mit runden Ecktürmen und Gräben umschlossen. Den Charakter bestimmten dekorative Zwerchgiebel und ,,welsche Hauben“, die alle Türme bedeckten. Der Fachwerkbau nördlich des Schlosses, das ,,alte Haus“ genannt, gehörte zu den Gebäuden von 1528 und enthielt bis zum 19. Jahrhundert die Schlosskapelle. Vom Haupttor (1560) führte eine gerade Allee zwischen zwei symmetrischen Nutzgärten in die östlichen Forsten hinein, während nach Westen zu ein ,,Tiergarten” sich bis in die Nähe des Polvitzer Stausees erstreckte.
Jagdschloss Letzlingen nach der Umgestaltung 1844
Der Plan, Letzlingen als brandenburgische Festung gegen Braunschweig und Magdeburg auszubauen, kam nicht zur Ausführung. Überliefert sind die Inventarien der einst kostbaren Einrichtung wie auch Berichte über Feste und Hofjagden. 1844 gestaltete König Friedrich Wilhelm IV. den Schlossbau des 16. Jahrhunderts nach eigenem Entwurf in englischem Charakter um, dem Umbau nur ein anderes Gewand gebend. Das heutige Letzlingen zählt zu den besten Schöpfungen jener Epoche. Die bis 1918 noch der Barocktradition folgenden Hofjagden leben mit festlichen Aufzügen und internationalen Gästen in den Erinnerungen fort.
Literatur
- Udo v. Alvensleben-Wittenmoor : Alvenslebensche Burgen und Landsitze. Dortmund 1960
- Boje Schmuhl (Hrsg.), Jagdschloss Letzlingen, 2001
Anekdote: Der Streit um die Rotwildjagd