Neugattersleben (früher Hohendorf)
Die jetzige Kirche in Neugattersleben wurde 1887 bis 1889 erbaut. Sie hatte einen Vorgängerbau, dessen Ursprünge vermutlich bis in das 10. Jahrhundert zurückreichen. Wie Kamlah schrieb, hatte sie zur Zeit ihres Abrisses 1887 „außer dem uralten, frühromanischen Turm fast nichts, was nachweisbar dem Mittelalter noch angehörte.“ Von 1573, dem Jahr des Erwerbs der Burg Neugattersleben durch Ludolf X. v. Alvensleben (1511-1596), bis 1945 lag das Kirchenpatronat bei der Familie von Alvensleben.
Epitaph und Grabstein für Busso v. Alvensleben (1553-1576)
Er war der zweite Sohn von Ludolf X. und wurde am 3. November 1576 bei einem Streit auf der Burg Wallhausen erschlagen. Das Epitaph befindet sich im Nordflügel der Kirche und könnte von dem Braunschweiger Bildhauer Hans Seeck stammen, der ähnliche Epitaphe in der Kirche von Ampfurt geschaffen hat. Udo v. Alvensleben-Wittenmoor schreibt dazu:
„Die kraftvolle Rahmenarchitektur mit freistehenden dorischen Säulen, die eine Rundbogennische zur Aufnahme der Grabfigur einschließt, entspricht genau jener vom Ampfurter Denkmal Hartwigs von dem Werder, gestorben 1567. Andere Einzelheiten sind abweichend gestaltet. Im Gegensatz zu der stehenden Figur Hartwigs, die die Nische füllt, wirkt die kniende Bussos, ähnlich jener von Hartwigs Gemahlin in Ampfurt, auffallend klein, was zur Monumentalität des Grabmals nicht passt.“
Aufnahme 1935
Aufnahme 2006
F. Wolff beschrieb das Denkmal in der Chronik von Kamlah (Nr. 21, 1903-1904) wie folgt:
„Tröstend neigt sich ein Engel aus den Wolken hernieder und zeigt dem Betenden in einer Kartusche den Spruch: Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen Einigen Sohn gab. Die seitliche Einfassung dieser Darstellung bilden zwei kannelierte Säulen, die ein dorisches Architraw zeigen. Darauf setzt sich eine Gedenktafel mit einer zum Teil verwitterten Inschrift in lateinischen Versen, welche den großen Schmerz der Eltern und Geschwister um den erschlagenen Jüngling zum Ausdruck bringt.“
Die untere Inschrift lautet:
Ludolphus ab Alvensleven, Gehardi filius, dominus in Hundisburgk et nova Gattersleben Bussoni filio suo defunkto maerens posuit. (Ludolf von Alvensleben, Gebhards Sohn, Herr in Hundisburg und Neugattersleben hat es seinem verstorbenen Sohne Busso trauernd gesetzt).
Aufnahme 1935
Aufnahme 2006
Den eigentlichen Grabstein für Busso von Alvensleben fand man beim Abriss der alten Kirche 1,5 Meter tief unter dem später aufgeschütteten Fußboden. Es handelt sich um eine Platte, 2,08 m lang und 0,97 m breit, mit einem Flachrelief, die den Verstorbenen als ganze Figur in Ritterrüstung darstellt. Ringsherum steht die Inschrift:
anno domini MDLXXVI die 3 novembris hora matutina anno aetatis 22 Busso generosi viri D. Ludolphi ab Alvensleven gebhardi fili filius abyt cuius anima in domino quiescat (Im Jahre des Herrn 1576 am 3. November in früher Stunde ist Busso, Sohn des edlen Herrn Ludolf von Alvensleben, des Sohnes Gebhards, 22 Jahre alt, gestorben. Seine Seele ruhe im Herrn).
Der Stein wurde beim Neubau in die nördliche Außenwand der Kirche eingefügt.
Votivtafel für Ludolf X. v. Alvensleben (1511-1596) und seine Frau Bartha v. Bartensleben (1514-1587)
Es handelt sich vermutlich um den Überrest eines Gemälde-Epitaphs, das sich früher in der Dorfkirche oder in der Burgkapelle befand. Bis 1945 wurde es im Schloss Neugattersleben aufbewahrt und danach in die dortige Kirche überführt, wo es im Südflügel aufgehängt ist. In einem oben halbrund abgeschlossenen Gemälde sind die Verstorbenen kniend unter einem Kruzifix dargestellt.
Nach Udo v. Alvensleben-Wittenmoor gleicht es dem Doppelbildnis Joachims und Elisabeths von der Schulenburg von 1604 am Epitaph im Dom zu Braunschweig, signiert von Jürgen Röttger und Floris von der Mürtel, der der Maler war (P.J. Meier, Abb. 64). Es sei anzunehmen, dass das Denkmal für Ludolf X. in Neugattersleben aus der gleichen Werkstatt stammte und eine ähnliche Renaissance-Architektur als Rahmen aufwies. Wahrscheinlich handele es sich um eine Votivtafel, da sich das Grabmal des Paares am Beisetzungsort Hundisburg befindet.
Vermutlich wurde das Werk von dem 1609 verstorbenen Sohn des Paares, Gebhard XXII. v. Alvensleben gestiftet, da dieser in seinem Testament 1200 Thaler für die Errichtung von zwei Denkmälern für sich und seinen Vater bestimmte (Wohlbrück, Bd. III, S. 27).
Epitaph und Grabstein für Gebhard XXII. v. Alvensleben (1543-1609)
Hierzu schrieb Kamlah 1896:
„Einen besonderen Schmuck barg die alte Kirche in dem kunstvollen, aus Marmor, Alabaster und Sandstein hergestellten Epitaphium. Dasselbe stammt aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts… Leider war dasselbe im dreißigjährigen wie im Freiheitskriege arg verstümmelt und durch die nördliche Empore vollständig verbaut.“
Es ist 6,75 m hoch und 5,25 m breit, wurde im Zuge des Kirchenneubaus renoviert und im Südflügel wieder aufgestellt.
F. Wolff hat es in Nr. 20 (Juni 1902) der Chronik von Kamlah ausführlich beschrieben und gewürdigt:
„Das Denkmal zeigt einen schön gegliederten, dreiteiligen Aufbau im Stile der Spätrennaissance. Eine Plattform mit einem kräftig ausladenen Karnies, gestützt von 2 markigen Trägern und 2 überstehenden Kopfsäulen, bildet den Abschluss des unteren Teiles. In der Mitte des letzteren ist das Alvenslebensche Wappen, und ihm zu beiden Seiten sind Gedenktafeln mit den Namen der Kirchenpatrone seit 1573. Über der Mitte der Plattform erhebt sich auf einer durchgehenden Basis die Kreuzigungsgruppe in teilweis klassischer Ausführung. Der gekreuzigte Heiland hat soeben ausgerungen, ihm zur Seite hängen die beiden Schächer mit verzerrten Gliedmaßen. Maria Magdalena umklammert inbrünstig das Kreuz und hat das schmerzumbebte Auge auf den Erlöser gerichtet. Maria, die Mutter Jesu sinkt den anderen Frauen ohnmächtig in die Arme, und es erfüllt sich an ihr das Wort Simeons: Es wird ein Schwert durch Deine Seele dringen. Johannes, der Lieblingsjünger Jesu steht, vom Schmerz überwältigt, abseits und verbirgt weinend sein Angesicht in der rechten Hand, dahinter sieht man in würdiger Haltung eine Porträtfigur, wahrscheinlich diejenige des Künstlers. Einen grellen Gegensatz hierzu bilden die höhnenden Pharisäer und die teilnahmslosen Kriegsknechte, welche um den Mantel Jesu losen. Die Gestalten sind durchweg lebenswahr behandelt, manche Figuren treten vollständig heraus, manche sind im Hochrelief und andere im Flachrelief dargestellt. Der Künstler erzielt damit eine perspektivische Wirkung. Rechts und links von dieser Gruppe stehen in halbrunden Nischen die Statuetten der vier Apostel Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes. Zwischen diesen erheben sich sechs antikisierende Säulen mit schwarzem Marmorschaft, weißen korinthischen Kapitälen und barock verziertem Marmorfuß. Dieselben tragen ein stark hervortretendes Gesims, das in der Mitte unterbrochen ist durch die von Engeln gehaltenen Marterwerkzeuge. Das Mittelfeld des obern Teiles bildet die Auferstehungsgruppe, die nicht so ganz meisterhaft behandelt und etwas zu sehr dramatisch belebt ist. Schön ist der Gesichtsausdruck des triumphierenden Christus. Rechts und links hiervon stehen wiederum in Nischen die beiden Evangelisten Matthäus und Lucas, den Abschluss auf der einen Seite bildet ein Marmorrelief der Geburt und auf der anderen Seite der Taufe Christi. Über dem Ganzen thront Gott der Vater von Engeln umgeben mit der Weltkugel in der Hand. Möchte dieses Kunstwerk stets recht verstanden und gewürdigt werden, damit es vor Zerstörung bewahrt bleibt.“
Während Kamlah und Wolff vermuten, dass dieses Epitaph Ludolf X. gewidmet ist und von dem Braunschweiger Bildhauer Jürgen Röttger stammt, der auch dessen Grabmal in Hundisburg geschaffen hat, ordnet Udo v. Alvensleben-Wittenmoor es dem Sohn Gebhard XXII. und der Magdeburger Schule zu. Als Bildhauer käme Lulef Bartels infrage, der ein Mitarbeiter Röttgers war. Stifterfiguren, wie in dem Hundisburger Denkmal, fehlen, müssten aber vorhanden gewesen sein.
Neben dem Epitaph gibt es einen Grabstein, der Gebhard XXII. v. Alvensleben und seine dritte Frau Sophia v. Mandelsloh (+ 1611) in Lebensgröße darstellt. Er ist bei Kamlah und Wolff noch nicht erwähnt, befindet sich aber in der Aufstellung der Alvenslebenschen Grabmäler von Udo v. Alvensleben-Wittenmoor und ist jetzt in der 1889 erbauten Begräbnishalle der Familie nördlich der Kirche aufgestellt.
Gebhard XXII., der in Langenstein gestorben war, hatte in der Kirche in Hohendorf für sich und seine Nachkommen ein Gräbnisgewölbe errichten lassen und dafür in seinem Testament 500 Thaler eingesetzt (Wohlbrück, III. Band, S. 27). Vermutlich befand sich dieser Stein ursprünglich in der Gruft. Er hat Ähnlichkeit mit dem Grabstein Ludolfs XI., des Frommen, v. Alvensleben (+1610) in Zichtau und dürfte mit der Werkstatt Jürgen Röttgers in Zusammenhang stehen.
Aufnahme 1935
Aufnahme 2006
Gemäldeepitaph von Gebhard XXV. v. Alvensleben (1618-1681)
Es befand sich – nach Udo v. Alvensleben-Wittenmoor – bis 1887 in der alten Kirche. Über den weiteren Verbleib heißt es weiter:
„Das ovale Mittelstück brachte man im Schloss über einen Kamin an…. Vom Epitaph Gebhards XXV. existierte nur noch das Ovalbildnis des verstorbenen, zu Lebzeiten durch den ihm befreundeten Jakob von Sandrart (1650-1708) zu Nürnberg gemalt, mit Umrahmung aus geschnitzten Ahnenwappen. Jakob war Brudersohn und Schüler Joachims von Sandrart, der aus dem Hennegau stammte. Joachim hatte Gebhard als Gesandten des Erzstifts Magdeburg auf seinem Gemälde des Friedensmahls von 1649 zu Nürnberg dargestellt, das auf dem dortigen Rathause aufbewahrt wird. Gebhards Porträt vom Grabmal, das 1945 in Neugattersleben zerstört wurde, hat Jakob von Sandrart als Beigabe der gedruckten Leichenpredigt vorzüglich in Kupfer gestochen.“
An Gebhard XXV. v. Alvensleben und seine Frau Agnes v. Rautenberg erinnert noch die von ihm 1662 gestiftete, sechseckige, mit den Stifterwappen versehene Holzkanzel, die nach dem Neubau der Kirche als Baldachin umgestaltet in der Sakristei untergebracht wurde – nebst den Seitenfüllungen, in denen sich die Ölbilder der vier Evangelisten mit ihren Symbolen befinden.
Grabtafeln für Rudolf-Anton v. Alvensleben (1688-1737) und seine zweite Frau Charlotte Sophie v. Alvensleben (1682-1739)
Rudolf-Anton v. Alvensleben starb als Königl. Großbritannischer Geheimer Staatsminister in Hannover und wurde in Neugattersleben beigesetzt. Die Grabtafeln befinden sich in der Mauer der nördlichen Turmhalle der Kirche mit folgenden Inschriften:
Hier ruhet in Gott selig der weyland hochwürdige und hochwohlgeborene Herr, Herr Rudolph Anthon v. Alvensleben, Königlicher, Großbritannischer, wirklicher geheimer Staatsrath, Dohmherr der hohen Stiftskirche zu Magdeburg, Erbherr auf Neugattersleben, Randau, Möser und Schermen, geboren den 28. März 1688, gest. 4. August 1737.
Hier ruhet in Gott selig die weyland hochwohlgeborene Frau, Frau Charlotte Sophie geborene und vermählte von Alvensleben, weyland Herrn Rudolf Anthons von Alvensleben hinterlassene Witwe, geboren 14. September 1682, gestorben 29. Juni 1739.
Grabmal für Anna v. Alvensleben, geb. v. Veltheim (1853-1897)
Im Jahre 1901 stiftete Kaiser Wilhelm II. aus Gründen der Anerkennung und Verehrung ein Grabmal für Anna v. Alvensleben, geb. v. Veltheim, Gemahlin des Grafen Werner-Alvo von Alvensleben, und nahm an der Einweihung am 12. August 1902 persönlich teil. Die eigenhändige Entwurfszeichnung des Kaisers, signiert und datiert vom 20. Dezember 1900, befand sich bis 1945 im Schloss Neugatterleben und ist nur noch als Reproduktion erhalten. Unter einem gotischen Baldachin im Stil der Veroneser Scaligergräber ruht die Verstorbene, von Bildhauer Knauer gemeisselt, auf einer Tumba. Das Denkmal wurde vor der Begräbnishalle der Familie im Freien errichtet, jedoch im Zweiten Weltkrieg, um es vor Witterungseinflüssen zu schützen, ohne Baldachin im Südflügel der Kirche aufgestellt.
Aufnahme 1935
Aufnahme 2006
Literatur
- Siegmund Wilhelm Wohlbrück: Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlecht von Alvensleben und dessen Gütern. Drei Bände, Berlin 1819-1829.
- Wilhelm Kamlah: Die Geschichte von Hohendorf, Neugattersleben, Löbnitz mit einer Chronik. Eisleben 1907.
- P. J. Meier: Das Kunsthandwerk des Bildhauers in der Stadt Braunschweig seit der Reformation. Braunschweig 1936.
Udo von Alvensleben-Wittenmoor: Grabmäler der Herren v. Alvensleben. Unveröffentlichtes Manuskript 1957.