Udo v. Alvensleben

1897-1962 | Dr. phil., auf Wittenmoor, Kunstwissenschaftler

Udo wurde am 23.1.1897 als ältester Sohn von Ludolf v. Alvensleben (1852-1923) auf Wittenmoor , Sichau-Tarnefitz und Plutowo, und der Ida v. Glasenapp (1866-1924) in Wittenmoor geboren, wo er zusammen mit seinen drei jüngeren Brüdern Busso (1898-1918), Ludolf (1899-1953) und Wichard (1902-1982) aufwuchs. Ab 1910 besuchte er die Ritterakademie in Brandenburg bis zu seinem Abitur 1914. Aus dem Ersten Weltkrieg, in dem er überwiegend in Nordfrankreich und Flandern eingesetzt war, kehrte er als Oberleutnant zurück.

Ab 1919 studierte er in München Land- und Forstwirtschaft, Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie. Nebenbei nahm er Unterricht im Zeichnen, Radieren und der Lithographie. 1920 übernahm er die Bewirtschaftung des Gutes Wittenmoor und setzte seine Studien in Berlin fort, die er um die Fächer Recht, Nationalökonomie, Diplomatie und Archäologie erweiterte. 1926 ging er nach Hamburg und promovierte 1927 bei dem Kunsthistoriker Prof. Erwin Panofsky zum Dr. phil. Seine Dissertation über den Großen Garten in Herrenhausen wurde im Deutschen Kunstverlag herausgebracht.

Es folgten Reisen in Europa, vor allem nach Frankreich, das ihn in seiner Vorliebe für den Barock lebenslang beeinflusste, und Weltreisen, die ihn nach Amerika und Asien führten. 1927/28 bereiste er gemeinsam mit dem Indologen Helmut von Glasenapp Indien. Während seiner Aufenthalte in China und Japan 1932/33 beschäftigten ihn vor allem deren Philosophie und Gartenkunst.

Seinen breit angelegten Bildungsweg hatte er darauf ausgerichtet, sich wie viele seiner Vorfahren im Staatsdienst zu engagieren. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten veranlasste ihn, sich wieder mehr privaten Vorhaben zuzuwenden. Über seine Studien zu Schlössern und Gärten der Barockzeit gelangte er zu einer immer intensiveren Beschäftigung mit dem historischen und kulturellen Erbe seiner Familie. Umfangreiche Sammlungen schriftlichen und fotografischen Materials entstanden. In seinem Auftrag und auf der Grundlage seiner Vorarbeiten zeichnete der holländische Maler Anco Wigboldus alle Alvenslebenschen Häuser in der barocken Art der Vogelschauperspektive. Park und Gutshaus Wittenmoor erlebten eine Blütezeit in ihrer Entwicklung mit zahlreichen Gästen, regem geistigen Austausch und viel Musik. 1937 kaufte Alvensleben das Gut Keez bei Schwerin in Mecklenburg, das ihm eine zusätzliche Herausforderung sowohl wirtschaftlicher als auch gestalterischer Art bot. Er war Ehrenritter des Johanniterordens.

Im Zweiten Weltkrieg war er in Polen, Frankreich, Russland, auf dem Balkan, in Italien und schließlich in Norwegen eingesetzt. Sein Tagebuch im Krieg (Auszüge 1971 veröffentlicht unter dem Titel „Lauter Abschiede“) berichtet davon. Gemeinsam mit dem damaligen Stendaler Superintendenten Hermann Alberts rettete er die wertvollen mittelalterlichen Glasmalereien des Stendaler Domes, indem er sie während des Krieges im Gutshaus Wittenmoor einlagern ließ.

1944 heiratete Udo v. A. Elma Freiin zu Innhausen und Knyphausen (1919-2004), in deren Elternhaus in Dortmund-Bodelschwingh er 1945 nach der Enteignung seiner Güter durch die sog. Bodenreform in der sowjetisch besetzten Zone Zuflucht fand. Nach dem Krieg hielt er sich und seine Familie, zu der bald drei Kinder gehörten, mit kulturgeschichtlichen Vorträgen und Auftragspublikationen über Wasser. Bald boten sich auch erneut land- und forstwirtschaftliche Aufgaben. Er gehörte Gremien der Forstwirtschaft, der Schwedisch-Deutschen Flüchtlingshilfe und dem Mitteldeutschen Kulturrat an, organisierte Tagungen, beriet in Fragen der Wiederherstellung historischer Gärten und setzte seine intensive Forschungsarbeit fort. Zu seinen Publikationen aus dieser Zeit gehören u.a. „Die Lütetsburger Chronik“, die Geschichte der friesischen Häuptlingsfamilie Knyphausen, und „Alvenslebensche Burgen und Landsitze“.

Er trug wesentlich dazu bei, dass die Familie von Alvensleben nach der Vertreibung 1945 ihre 1473 beginnenden Familientreffen wieder aufnahm, die geretteten Teile der Alvenslebenschen Lehnsbibliothek aus dem 16. Jahrhundert in ihrem Bestand gesichert wurden und der sagenumwobene, mittelalterliche Familienring einen seiner Bedeutung entsprechenden Aufbewahrungsort erhielt.

Udo v. A. führte von 1914 bis 1962 ein umfangreiches Tagebuch, das nach seinem Tod Harald von Koenigswald in Teilen bei Ullstein herausgegeben hat. Daneben gibt es einen großen schriftlichen Nachlass von überwiegend familiengeschichtlichen Abhandlungen, zu deren Veröffentlichung er aber krankheitsbedingt und durch seinen frühen Tod am 22.8.1962 in Dortmund nicht mehr kam. Er wurde auf dem Familienfriedhof in Bodelschwingh beigesetzt.

Werke:

  • Herrenhausen, Die Sommerresidenz der Welfen, Berlin 1929
  • Die Braunschweigischen Schlösser der Barockzeit und ihr Baumeister Hermann Korb, Berlin 1937
  • Die Lütetsburger Chronik, Geschichte eines friesischen Häuptlingsgeschlechts, Dortmund 1955
  • Alvenslebensche Burgen und Landsitze, Dortmund 1960
  • Lebenserinnerungen, Mskr.
  • Besuche vor dem Untergang, Adelssitze zwischen Altmark und Masuren, Aus Tagebuchaufzeichnungen von Udo von Alvensleben, Zusammengestellt und herausgegeben von Harald von Koenigswald, Frankfurt/M.-Berlin 1968
  • Mauern im Strom der Zeit, Schlösser und Schicksale in Niederdeutschland, Aus Tagebuchaufzeichnungen von Udo von Alvensleben, Zusammengestellt und herausgegeben von Harald von Koenigswald, Frankfurt/M.-Berlin 1969
  • Schlösser und Schicksale, Herrensitze und Burgen zwischen Donau und Rhein, Aus Tagebuchaufzeichnungen von Udo von Alvensleben, Zusammengestellt und herausgegeben von Harald von Koenigswald, Frankfurt/M.-Berlin 1970
  • Lauter Abschiede, Tagebuch im Kriege, Herausgegeben von Harald von Koenigswald, Frankfurt/M.-Berlin 1971

Literatur:

  • Harald Blanke (Hrsg.): Ein brüderliches Alliance-Oeuvre, Beiträge zur Gartenkunst, Geschichte, und Denkmalpflege im Werk von Udo von Alvensleben und Anco Wigboldus, Hundisburg 2004
  • Heinrich Detloff von Kalben: Udo A.E. von Alvensleben-Wittenmoor – Landedelmann und Kunsthistoriker, in: Aus der Altmark, Jahresbericht des Altmärkischen Vereins für Vaterländische Geschichte, 65, S. 57-65, Berlin 1984
  • Martin Wiehle: Altmark Persönlichkeiten, Biographisches Lexikon der Altmark, des Elbe-Havel-Landes und des Jerichower Landes, Oschersleben 1999
  • Wolf von Niebelschütz: Alvenslebensche Schlösserbilder, in: Freies Spiel des Geistes, Reden und Essais, Düsseldorf-Köln 1961, S. 573
  • Anco Wigboldus: Burgen, Schlösser und Gärten, Braubach 1974