Wichard v. Alvensleben
1902-1982 | Land- und Forstwirt, Offizier
Wichard wurde als jüngster Sohn von Ludolf v. Alvensleben (1852-1923) und seiner Frau Ida v. Glasenapp am 19.5.1902 in Wittenmoor geboren. Der Kunsthistoriker Udo v. Alvensleben-Wittenmoor (1897-1962) war sein Bruder. Er besuchte die Klosterschule in Magdeburg, die Ritterakademie in Brandenburg und machte das Abitur 1921 auf der Klosterschule in Rossleben. Nach vierjähriger praktischer Ausbildung in Land- und Forstwirtschaft studierte er in Eberswalde und München Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Jura. Nach dem Tod seines Vaters erbte er das Forstrevier Sichau-Tarnefitz bei Gardelegen/Altmark.
Anekdote (Kaiserjagd 1912 in der Letzlinger Heide)
1927 heiratete er Cora v. Erxleben, Erbin der Güter Tankow-Seegenfelde, Kreis Friedeberg, und Dertzow, Kreis Soldin in der Neumark. Von 1929 bis 1939 bewirtschaftete er diese Güter. 1936 erwarb er das Forstgut Viarthlum, Kreis Rummelsburg in Ostpreußen. 1934 und 1936 wurden zwei Töchter geboren. Wichard v. Alvensleben war Rechtsritter des Johanniterordens und Ritter des Hubertusordens.
Im Zweiten Weltkrieg diente er an den Fronten in Polen, Frankreich, Russland, Afrika und zum Schluß in Italien. In Russland wurde er 1941 schwer verwundet und erhielt das Verwundetenabzeichen, das Infanterie-Sturmabzeichen und das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Beim Eindringen der Russen erschoss sich seine Frau Cora am 29.1.1945 in Tankow. Das Schloss wurde geplündert und niedergebrannt, der Besitz enteignet, das Land fiel an Polen.
Im Herbst 1945 aus amerikanischer Gefangenschaft entlassen, fand er zunächst Zuflucht bei Verwandten in Nörten-Hardenberg bei Göttingen. Bis 1952 schlug er sich als Holzfuhrmann, Angestellter einer Zuckerfabrik und zeitweise Arbeitsloser durch. Im August 1946 heiratete er in zweiter Ehe Astrid v. Brand, verwitwete Gräfin v. Brockdorff-Ahlefeldt, deren Mann in Russland gefallen war. Von 1952 bis 1956 verwaltete er das Brockdorffsche Gut in Ascheberg bei Plön. Danach arbeitete er für das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Rendsburg. Seine Verantwortungsbereiche waren die Integration von Flüchtlingen, insbesondere von Jugendlichen, und die Alkoholikerbetreuung. 1974 ging er endgültig in den Ruhestand. Er starb am 14.8.1982 in Ascheberg und ist dort auf dem Brockdorffschen Familienfriedhof begraben.
Die Häftlingsbefreiung
In die letzten Kriegstage Ende April 1945 fiel ein Ereignis, das sein Leben nach eigenen Angaben tief geprägt hat. Als Hauptmann der Wehrmacht befreite er in Niederdorf/Südtirol einen Transport von 139 prominenten Sonderhäftlingen aus zwölf verschiedenen Nationen, deren SS-Wachmannschaft den Befehl hatte, diese Häftlinge nicht lebend in Feindeshand fallen zu lassen. Zu diesen Häftlingen gehörten u.a. der ehemalige österreichische Bundeskanzler Schuschnigg, Martin Niemöller, einer der führenden Männer der Bekennenden Kirche im Dritten Reich und spätere Kirchenpräsident in Hessen – und die Sippenhäftlinge des 20. Juli 1944, die Familien Stauffenberg, Goerdeler usw.
Die mutige Rettungsaktion wurde erst 19 Jahre später durch einen Zeitungsartikel einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Weitere Einzelheiten und Hintergründe hat der Journalist Hans-Günter Richardi anläßlich des 60. Jahrestages dieses Ereignisses in seinem Buch „SS-Geiseln in der Alpenfestung“ zusammengetragen. Wichard v. Alvensleben selbst gab 1964 – in einem Brief an Niemöller – dem damaligen Ablauf eine christliche Deutung: Es sei kein Zufall gewesen, „sondern Fügung und Führung durch das Walten außerweltlicher Kräfte, die wir Christen als Gott bezeichnen.“ Demgegenüber sei das Herausstreichen irgendeines Mitwirkenden gegenstandslos, „da wir alle nur Werkzeuge und Handlanger waren, die nach höheren Intentionen benötigt wurden.“ Anders sei der unwahrscheinliche Ablauf der Ereignisse für den nachdenklich Eingeweihten nicht zu erklären. „Aber“ – so schließt er den Brief an Niemöller – „wie sagen wir es den Heutigen?“
Literatur:
- Lothar Meißner: 1945: Handstreich im Pustertal. Hannoversche Allgemeine Zeitung, 5./6.9.1964
- Hartmut Jäckel: Menschen in Berlin. Stuttgart, München 2001, S. 46-48.
- Hans-Günter Richardi: SS-Geiseln in der Alpenfestung. Bozen 2005.
- Edward Rymar: Tankow/Dankow im Wandel der Geschichte. Strzelce Krajenskie 2009 (119 S.)
- Familienarchiv v. Alvensleben.